Sich nach einer langen Beziehung zu trennen, das fällt vielen Menschen schwer. Da hat frau 10 oder gar 20, manchmal sogar über 30 Jahre mit einem Mann zusammen gelebt. Die Hälfte oder vielleicht sogar mehr als die Hälfte des eigenen Lebens mit nur einem Menschen in Beziehung verbracht. Wie soll das gehen, nach langer Beziehung Trennung?
Je länger die Beziehung, desto schwieriger die Trennung
Tatsache ist, nach langen Beziehungen verbinden ein Paar sehr viele Erinnerungen. Man hat einfach schon so viel miteinander erlebt. Gute Zeiten mit vielen glücklichen Erinnerungen. Aber auch schwere Zeiten, in denen man vieles gemeinsam durchgestanden hat. Auch das familiäre Umfeld und der Freundeskreis sind lang gewachsen und gefestigt. Meist sind auch die finanziellen Verflechtungen sehr stark. Die Zeit als Paar hat viele Strukturen etabliert, die beide jahrelang gelebt haben. Und je länger die Beziehung anhält, umso schwerer wird die Trennung nach langer Beziehung.
Das Phänomen der „versunkenen Kosten-Falle“
Doch was genau hält viele Menschen davon ab, sich nach einer langen Beziehung zu trennen? Ich bin vor einiger Zeit auf einen interessanten Aspekt gestoßen. Die „versunkene Kosten-Falle“. Das Phänomen der „versunkenen Kosten-Falle“ ist allgegenwärtig, doch wir sehen es meist nicht. Es gilt in der Wirtschaft, genauso wie im Privatleben.
Was sind denn diese „versunkenen Kosten“? Das sind Kosten, die bereits entstanden sind und die auch nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Diese Kosten können Geld sein, aber auch Zeit oder Aufwand. All das habe ich bereits investiert und das bekomme ich auch nicht wieder zurück.
„Ich habe doch schon so viel investiert, da kann ich nicht aufgeben“
Dieses Phänomen der „versunkenen Kosten-Falle“ führt nun zu einer ganz bestimmten Bewertung der Situation. Wir bewerten eine Situation danach, was wir bereits investiert haben, und nicht auf der Grundlage des realen gegenwärtigen Werts. So nach dem Motto: Ich habe schon so viel Zeit, Geld, Aufmerksamkeit, etc. in die Sache investiert, da kann ich jetzt nicht aufgeben. Die Situation ist zwar unangenehm und ich will sie eigentlich nicht, aber ich habe doch schon so viel investiert. Kommt Dir das bekannt vor?
Wir Menschen sind generell verlust-avers. Das bedeutet, wir haben große Angst davor, etwas zu verlieren oder zu verschwenden. Wenn ich also in eine Sache investiert habe, dann will ich von dieser Investition auch etwas haben. Ich will die Investition nicht abschreiben müssen.
Wir binden uns emotional an eine Situation
Das bedeutet, die „versunkene Kosten-Falle“ verleitet uns dazu, an etwas festzuhalten, sobald wir Geld, Zeit und Aufwand investiert haben. Wir binden uns emotional an diese Investition. Aufgeben würde das Eingeständnis bedeuten, etwas falsch gemacht zu haben. Es würde bedeuten, etwas zu „verlieren“.
Da wir das nicht wollen, versuchen wir, unsere Investition mit allen Mitteln zu retten. Es gibt auch das Sprichwort: „Schlechtem Geld gutes Geld hinterherwerfen.“ Wir investieren also weiter in die Situation. Auch wenn uns bei nüchterner Betrachtung der Angelegenheit eigentlich klar sein müsste, dass jedes weitere Festhalten an der Situation unsinnig ist. Ab einem gewissen Punkt bringen wir die Dinge nur deshalb zu Ende, weil wir schon so viel investiert haben.
Zum Beispiel: ein schreckliches Konzert
Zur Verdeutlichung ein Beispiel: Du hast Dir zusammen mit Freunden sündhaft teure Karten für ein Konzert gekauft. Doch als ihr auf dem Konzert seid, stellt ihr fest, dass die Band ganz schrecklich ist. Es macht überhaupt keinen Spaß zuzuhören und am liebsten würdest Du nach Hause gehen. Auch Deine Freunde finden das Konzert einfach nur gräßlich, wollen aber bleiben. Schließlich haben alle sehr viel Geld für diese Konzertkarten ausgegeben. Was tun?
Deine Freunde sind in die „versunkene Kosten-Falle“ getappt. Weil man ja so viel bereits in die Konzertkarten investiert hat, bleibt man in der Situation, obwohl sie schrecklich ist. Doch erkennt man das Phänomen der „versunkenen Kosten-Falle“, so kann man sich klar machen, dass das Geld für die Konzertkarten ja bereits ausgegeben ist. Es ist so oder so weg. Warum also in einem Konzert sitzen, das gräßlich ist? Warum nicht lieber die Zeit nutzen und etwas tun, was Freude bringt?
Die „versunkene Kosten-Falle“ in Beziehungen
Und was hat das mit unserem Thema zu tun, Trennung nach langer Beziehung? Viele Menschen befinden sich in einer Beziehung, in der die Liebe und Wertschätzung nicht mehr vorhanden sind. Das Paar hat keine wirkliche innere Beziehung mehr zueinander. Lediglich die äußere Hülle, die Finanzen, die Familie und Freunde, halten die Beziehung noch zusammen. Warum bleiben diese Paare also (zumindest offiziell) in ihrer Beziehung?
Beide Beteiligte haben über die Jahre schon so viel an Geld, Zeit, Kraft und Energie in die Beziehung investiert, dass sie aufgrund dieser Investitionen in der Beziehung verharren. Häufig höre ich in solchen Situationen von Frauen den Satz: „Es war doch nicht alles schlecht.“
Wie ist der aktuelle Stand der Beziehung?
Sicher war nicht alles schlecht. Aber ist es denn aktuell gut? Oder sind es nicht vielmehr die „versunkenen Kosten“, die die Paare zusammenhalten? Das Gefühl, frau hat schon so viel in die Beziehung investiert, das kann doch nicht alles umsonst gewesen sein?
Dieser Gedanke ist es, der es uns Menschen so schwer macht, etwas zu beenden, was uns nicht mehr glücklich macht. Wir halten an Situationen fest, allein deshalb, weil wir schon so viel investiert haben. Und vergessen dabei, dass wir die Investitonen so oder so nicht wieder zurückbekommen. Denn wenn wir einmal Zeit, Geld und Anstrengung aufgewendet haben, sind sie unbedeutend für die Zukunft. Bedeutend ist nur, was wir dafür bekommen haben.
Warum weiter an einer schlechten Beziehung festhalten?
Wenn Du nun für alle Deine Investitionen eine schlechte Beziehung bekommen hast, warum dann weiter an dieser schlechten Beziehung festhalten? Weil Du in der Vergangenheit schon so viel investiert hast?
Sicher nicht. Das wird aber erst klar, wenn wir dieses Phänomen der „versunkenen Kosten-Falle“ in unserem Leben erkannt haben. Dann können wir diese Falle auch in unserem Privatleben erkennen und lösen.
Dann ist auch nach langer Beziehung eine Trennung möglich, wenn der aktuelle Zustand Deiner Beziehung Dich nicht glücklich macht. Unabhängig davon, was Du in der Vergangenheit bereits investiert hast.